ISM Blog

Alles digital in HR?! Endlich wieder mehr Raum für die Menschen im Unternehmen

In ihrem Job setzt Yara Noufal Projekte um, die dabei helfen, die HR-Arbeit zu digitalisieren, automatisieren und modernisieren. Im Interview sprechen wir mit der ISM-Absolventin der Wirtschaftspsychologie über ihren Job als Expertin für HR Digitalization bei Infineon Technologies und warum digitale Technologien der HR-Funktion wieder den Raum geben, sich auf den Kern der Arbeit zu fokussieren: Das Wohlbefinden der Mitarbeitenden.

Du hast dein Bachelor-Studium in Psychology & Management 2018 an der ISM absolviert. Was hast du im Anschluss gemacht?
Ich habe ein Informatikstudium begonnen, um Programmieren zu lernen. Es war mir wichtig, in einer zukünftigen HR-IT-Schnittstelle zu wissen, wovon ich spreche. Dann habe ich mich aufgrund privater Umstände dazu entschieden, statt eines Masters ins Berufsleben einzusteigen. Bei Capgemini Invent startete ich im HR Employee Experience & Transformationsbereich in der Unternehmensberatung und bin seit Juni nun bei Infineon Technologies im Bereich HR Digitalisierung.
Wie sieht deine Tätigkeit bei Infineon Technologies aus?
Mein Team folgt der Mission, die Arbeit aller internen HR-Funktionen effizient und digital zu gestalten und damit letztendlich auch schneller und effizienter für Mitarbeitende zu werden. Dementsprechend prüfen und setzen wir Projekte um, die dabei helfen, die HR-Arbeit zu digitalisieren, automatisieren und modernisieren. Ich persönlich widme mich aktuell der Einführung der digitalen Signatur für HR-Dokumente, u.a. innerhalb unserer neuen HR-Experienceplattform in ServiceNow. Darüber hinaus betreue ich die Entwicklung des HR-Chatbots innerhalb dieses HR Cloudsystems und begleite eine Masterarbeit zum Thema AI in HR.
Wie verändert die Digitalisierung den HR-Bereich? Wodurch macht sich das bemerkbar?

Der HR-Bereich verändert sich nicht aufgrund der Digitalisierung, sondern erfordert die Digitalisierung, um den Anforderungen des heutigen Arbeitsmarkts gerecht zu werden. Zum einen sind die gewünschten Kandidat*innen digital unterwegs und erwarten dementsprechend auch Arbeitgeber, die ihnen den gleichen digitalen Komfort beruflich bieten, den sie privat haben. Die Konkurrenz ist groß und Unternehmen, die nicht digitalisieren, gewinnen weniger Talente. Im umkämpften Arbeitnehmermarkt geht es außerdem um Geschwindigkeit im Auswahl- und Einstellungsprozess, auch dies ist durch Digitalisierung möglich.

Zum anderen streben Firmen stets nach Kosteneffizienz und das betrifft natürlich auch HR. Die Abteilung birgt zahlreiche Möglichkeiten der Prozessverbesserung, Automatisierung und Digitalisierung, z.B. bei Abrechnungen oder der sich wiederholenden Beantwortung von HR-Fragen. Darüber hinaus werden im Personalbereich viele Mitarbeiterdaten verarbeitet, was in Deutschland noch viel über Papier oder simple Exceltabellen läuft. Die Einführung von Cloudplattformen im HR ermöglicht sowohl globale Standards, hohe Datensicherheit als auch ein angenehmeres Mitarbeiter- bzw. Kandidatenerlebnis.

Worauf kommt es bei der Digitalisierung von HR deiner Meinung nach besonders an?
Insbesondere in Deutschland gilt es stets die Datenschutz- und arbeitsrechtlichen Vorgaben einzuhalten. Das bedeutet beispielsweise, bei der Einführung eines neuen Systems sicherzustellen, wo die Daten gespeichert, wie und von wem sie verarbeitet werden. Global kommen noch weitere Herausforderungen auf, z.B. die Balance zwischen der Schaffung von Standards unter Berücksichtigung der lokalen Besonderheiten.

Und da ein Großteil der Belegschaft nicht mit der Digitalisierung aufgewachsen ist, halte ich es für essenziell, die Veränderungen von Anfang an mit gezielter Kommunikation und Change Management zu begleiten.

Für einige Mitarbeitende bedeutet das neue Arbeitsabläufe, Rollenänderungen und Umschulungen - nicht jeder ist davon begeistert und es ist Aufgabe der Organisation, jeden bei dem Wandel an die Hand zu nehmen.
Darüber hinaus fokussiert sich unser Team stark darauf die „Kundenbrille“ aufzusetzen und Digitalisierung da in Betracht zu ziehen, wo sie wirklich dem Mitarbeitenden, Kandidaten oder Alumni dient. Immer wichtiger wird die Employee Experience im Fokus von HR Entscheidungen, anstatt aus HR Prozesssicht kommend.

Die Anforderungen von Bewerber*innen und Arbeitnehmer*innen haben sich in den letzten Jahren verändert. Wie nehmt ihr dies bei Infineon Technologies wahr und wie reagiert ihr darauf?
Einen Teil davon habe ich zuvor beim Bedarf der Digitalisierung erläutert: Bewerber*innen und Arbeitnehmer*innen sind privat digital unterwegs und erwarten das auch im Berufsleben. Fachkräfte und Akademiker haben die Auswahl zwischen zahlreichen namhaften Unternehmen und stellen dementsprechend höhere Ansprüche. Gehalt wird dabei immer ein Kernthema bleiben. Außerdem spielt die Sinnhaftigkeit (“purpose”) der Arbeit heutzutage eine größere Rolle als früher. Auch bei Infineon merken wir, dass der Name alleine nicht ausreicht, um die richtigen Talente zu gewinnen. Recruiting hat sich mehr zu einem „sich-gegenseitig-voneinander-überzeugen“ entwickelt. Das bedeutet für uns, dass wir uns gezielt Strategien überlegen, die richtigen Talente auf den relevanten Plattformen zu erreichen und neben den attraktiven Arbeitsbedingungen zusätzliche Mitarbeiterbenefits zu bieten. Aber noch viel wichtiger und was Infineon schon immer ausgezeichnet hat: Unsere Unternehmens-, Führungs- und Teamkultur. Viele unserer Mitarbeitenden sind schon jahrelang bei Infineon und glücklich in ihrer Tätigkeit. Als Teil des Auswahlprozesses ermöglichen wir den Kandidat*innen einen Austausch mit dem zukünftigen Team, um auch den kulturellen Fit von beiden Seiten zu prüfen. Bei der richtigen Basis und Einstellung kann man jedem Mitarbeitenden Fertigkeiten on-the-job beibringen. Wichtig ist uns, dass die Person ins Team passt und die richtige Einstellung mitbringt.
Ein Thema, das in letzter Zeit verstärkt in den Fokus gerückt ist, ist Employee Experience. Was hat es damit auf sich?

Ich persönlich sehe die Employee Experience als eine gewünschte Veränderung der HR, die erst durch die Digitalisierung ermöglicht wird.

Wie können wir unseren Kandidat*innen ein Bewerbungserlebnis schenken, sodass sie bei uns arbeiten wollen? Wie kann ich unser Onboarding so gestalten, dass neue Mitarbeiter*innen sich über den Start freuen und gut ankommen? Wie halte ich Mitarbeiter*innen im Unternehmen? Wie ermögliche ich ihnen leichten Zugang zu ihren HR-Informationen und biete freundliche, schnelle und kompetente Hilfestellungen zu ihren Anfragen? Wie erkenne und setze ich meine Mitarbeiter*innen ihren Stärken entsprechend ein und bilde die richtigen Weiterbildungen an? Für all diese Fragen gilt es meiner Meinung nach eine Mischung aus Daten und Menschengefühl zu verbinden. Die Digitalisierung ermöglicht die sichere und sinnvolle Nutzung von Mitarbeiterdaten und Personaler haben den Raum, sich mit ihrem Fingerspitzengefühl und Kreativität um Teams zu kümmern. Hand in Hand kann HR die Berührungspunkte mit HR so zu einem bereichernden Erlebnis machen.
Um diese Employee (Customer, wie wir in dem Fall intern bei Infineon sagen) Experience so positiv und einfach wie möglich zu gestalten, haben wir entschieden, eine Employee Experience Plattform zu implementieren. Unsere Wahl fiel hierbei auf ServiceNow, intern wird diese „MyHR“ heißen und Ende September global live gehen. Damit hat sich Infineon auch neue Ziele gesetzt: To create a frictionless, seamless digital experience for everyone to complete their tasks that relate to HR.


Durch die Automatisierung sich wiederholender Tätigkeiten und die Digitalisierung von Prozessen bekommt HR endlich wieder den Raum für den ursprünglichen Kern einer Human Resources Abteilung: Das Wohlbefinden der Mitarbeitenden.

Warum wird es für Unternehmen immer wichtiger, sich mit Employee Experience zu beschäftigen?

Um dauerhaft auf dem Arbeitsmarkt die richtigen Talente für sich gewinnen zu können und natürlich die Mitarbeiter*innen zufrieden zu halten und zu motivieren. Sowohl wirtschaftlich als auch persönlich rechnet sich die Investition in die Employee Experience. Unzufriedene (gute) Kandidat*innen und Mitarbeiter*innen gehen – der Arbeitsmarkt, bei dem der Großteil der Belegschaft im Leben beim gleichen Arbeitgeber bleibt, gehört der Vergangenheit an. Die Hürde, zu einer vermeintlich besseren Firma zu gehen, ist gering. Jede Neueinstellung (inkl. Ausschreibung, Prozess etc.) kostet mehr als einen bestehenden Mitarbeiter mit dessen Wissen und Erfahrung zu halten. Wirtschaftlich lohnt es sich also stets auf das Wohlbefinden seiner Leute zu schauen.

Zusätzlich dazu gibt es mittlerweile zahlreiche Vergleichsportale und Erfahrungsplattformen, bei denen Bewertungen abgegeben werden können. Arbeitnehmer*innen tauschen sich mit anderen aus und so sprechen sich Erfahrungen mit Arbeitgebern herum, sowohl positive als auch negative. Unternehmen, die Kandidat*innen anziehen wollen, müssen dafür sorgen, dass ihre Mitarbeiter*innen so begeistert sind, dass sie Werbung für das Unternehmen machen. Die Bedeutung von Arbeit hat sich verändert und auch die Anforderungen an die Arbeitsbedingungen. Firmen müssen nah an den Bedürfnissen der Mitarbeitenden sein und die Flexibilität mitbringen, auch mal neue Wege zu gehen.
Konkret bedeutet das erneut für unser Team, dass wir Personalarbeit so gestalten, dass Mitarbeitende HR als moderne und hilfreiche Abteilung wahrnehmen. Informationen und HR Services müssen schnell, einfach und korrekt zur Verfügung stehen, sei es beispielsweise durch Self Service Angebote oder eine einfache Konversation mit dem HR Chatbot.

Worauf kommt es dabei besonders an? Wie können Unternehmen eine positive Employee Experience schaffen?

Die essenziellen Schritte sind aus meiner Sicht (1) den Arbeitnehmer*innen zuzuhören: Was bewegt die unterschiedlichen Gruppen, die wir beschäftigen und halten wollen? Und dann (2) unkonventionell zu überlegen, ob und wie wir diese Bedürfnisse erfüllen können und wollen. Dabei entstehen häufig (3) Bedarfe der Einführung neuer Prozesse, Systeme und Rollen. Diese müssen dann (4) auf jeden Fall kommunikativ und mit Change Management frühzeitig und transparent begleitet werden.
Eine gute Employee Experience kann außerdem nur dort entstehen, wo Daten und Menschengefühl Hand in Hand genutzt werden. Schafft eine Firma die Grundlage für diese Zusammenarbeit, haben die Arbeitnehmer ein positives Erlebnis.

Die ISM bietet verschiedene Studiengänge an, die auf eine HR-Karriere vorbereiten. Vom Wirtschaftspsychologie Studium im Bachelor und Master bis zum berufsbegleitenden Studium. Wer sich vor allem für die Schnittstelle von HR und Digitalisierung begeistert, der sollte sich den M.A. Human Resources Management & Digital Transformation anschauen.

Karin Gessler

Vera Schulte

Bilder: Fauxels (Pexels), privat


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