Für die Auszeichnung zur Fairtrade-University muss eine Hochschule nachweislich fünf Kriterien erfüllen, die das Engagement für den fairen Handel auf verschiedenen Ebenen betreffen. Oft erfordert das eine gebührende Vorarbeit. Nicole Fabisch ist als Professorin für Marketing and Sustainability Management seit vielen Jahren auf diesem Terrain aktiv. An der ISM hat sie damit zum wiederholten Mal einen Preis errungen. Der Campus in Hamburg wurde offiziell am 20. Februar als erste Fairtrade Hochschule ausgezeichnet. Die Bedingung war: Es muss nachweislich ein Bewusstsein für fairen Handel geschaffen und in konkreten Projekten sichtbar geworden sein. Anders, als man aufgrund der häufigen Berichterstattung über Klimabewegte meinen möchte, war es kein Selbstläufer.
Frau Professor Fabisch, wie sind Sie vorgegangen?
Nicole Fabisch: Zunächst haben wir uns als Hochschule mit einem Hochschulbeschluss verpflichtet, uns für den Fairen Handel einzusetzen. Dabei waren unser Präsident, Prof. Dr. Ingo Böckenholt und der Studierenden-Vertreter Jann-Flemming Witt maßgeblich beteiligt. Ein internes Planungsteam wurde gebildet mit Mitarbeiterinnen aus dem Student Office, aus der Studienberatung. der Studienorganisation sowie der Professorin Dr. Christiane Beyerhaus als Kollegin aus der Lehre und Noah-Dion Ahrens als Vertreter der Studierenden. Nachdem unser Präsident das „Go“ für die Unterstützung des Fairen Handels gegeben hat, haben wir für unseren Weg zur Fairtrade University ein extra Budget bekommen. Wir haben sofort unsere Beschaffung verändert. Bei uns gibt es nur noch fair gehandelten Kaffee oder faire Kekse/Süßigkeiten in sämtlichen Kaffeeküchen oder unserer kleinen Mensa. Zusätzlich gibt es bei allen Veranstaltungen vom Aufnahmetag bis zur Weihnachtsfeier anteilig ebenfalls fair gehandelte Produkte.
Sind damit die Preise für diese Beschaffungen gestiegen?
Es ist ein Vorurteil, dass Fairtrade sehr viel teurer ist. Im Gegenteil. Zum Teil sind die Preise fairer als bei konventionellen Lebensmitteln. Abgesehen davon ist es ja genau der faire Preis, der den Unterschied macht.
Laut Fairtrade Deutschland profitieren aktuell rund 1,7 Millionen Bäuerinnen und Bauern sowie Arbeiter*innen auf Plantagen aus 72 Anbauländern von ihrer Beteiligung an Fairtrade und der Fairtrade-Prämie, die sie unabhängiger von floatenden Weltmarktpreisen macht.
Darüber hinaus veranstalten wir einmal im Quartal an der Hochschule ein Event, um auch Mitarbeiter*innen und Studierende für das Thema des Fairen Handels zu sensibilisieren. Dafür setzen wir uns als Planungsteam zusammen und überlegen, was wir wuppen können und ob es spezielle Anlässe gibt wie beispielsweise den Weltfrauentag, an dem wir dann letztes Jahr Fairtrade-Rosen an alle Mitarbeiterinnen in Hamburg verteilt haben.
Die Quintessenz besteht darin, aktiv für das Thema zu sensibilisieren und aufzuzeigen, wo überall es im Welthandel unfair zugeht und wo wir unterstützen können, so dass keine*r daran vorbeikommt, ohne sich Gedanken zu machen, wie er*sie sich dazu positionieren möchte.
Nachhaltigkeit ist in aller Munde. Wie sind Sie vorgegangen, damit Ihr Konzept ernsthaft aufgefasst wird?
Es darf natürlich kein „Fair-washing“ sein, sondern muss langfristig und nachhaltig betrieben werden. Einmal den Titel holen und „gut ist“, geht nicht. Ich halte es für besonders wichtig, dass die Mitarbeiter*innen eingebunden sind, die Idee unterstützen und diese aktiv mitgestalten dürfen. Das heißt, sie zu empowern, nicht alles zu kontrollieren und sie auch selbstständig das Budget nutzen zu lassen. Mittelfristig würden wir gerne noch ganzheitlicher unterwegs sein und den Fairen Handel als Teil der sozialen Säule der Nachhaltigkeit betrachten. Schön wäre, wenn wir das gesamte Themenfeld Nachhaltigkeit im Sinne des Dreiklangs aus sozialer, ökologischer und ökonomischer Verantwortung noch stärker unterstützen würden. Ich bin Teil der Projektgruppe Nachhaltigkeit @ ISM und mache mich aktuell insbesondere für das Thema Fairtrade stark.
Wo hat das Fairtrade-Anliegen Wirkungen entfaltet?
Das Thema Fairtrade ist auch jetzt schon ohne offizielle Urkunde oder Aufsteller am Campus präsent. Die Fairtrade Produkte fallen auf, Plakate weisen darauf hin und über die verschiedenen Projekte und die Berichterstattung nehmen es die Studierenden zunehmend wahr. Wir nehmen seit Jahren kontinuierlich am Hamburger Fair Trade Hochschulwettbewerb teil und haben hier Ende letzten Jahres zum mittlerweile dritten Mal den 1. Platz errungen.
Die Teams in der ISM sprechen darüber, es gibt Beiträge auf den Hochschulkanälen. Da geht aber noch deutlich mehr. Faire Lebens- und Arbeitsbedingungen für Menschen entlang globaler Liefer- und Wertschöpfungsketten sind ein Riesenthema, auch politisch. Wir haben ein Lieferkettengesetz und demnächst mit der Richtlinien zur "Corporate Sustainability Reporting Directive" (CSRD) schärfere Reporting- Richtlinien. Das heißt, an fairen Arbeitsbedingungen oder sogenannten Living Wages, also Löhnen, die ein menschenwürdiges Dasein ermöglichen, ohne Hungerlöhne zu sein, kommt keiner mehr vorbei. Drei von vier Hungernden weltweit leben als Kleinbauern, Viehzüchter und Arbeiter auf dem Land. Die Mehrheit der Kleinbauern sind Frauen. Laut der International Labour Organization (ILO) lag die Zahl der „working poor“, also der arbeitenden Personen, die in Haushalten mit einem Einkommen von unter 1,90 US-Dollar pro Tag und Kopf leben, im Jahr 2020 weltweit bei 228 Millionen. Das sind die Fakten.
Ich beobachte, dass viele Studierende nicht mehr akzeptieren, dass geringere Sozialstandards oder schlechte Verhandlungspositionen von Menschen im globalen Süden von Unternehmen schamlos ausgenutzt werden. Sie sind mit Katastrophen wie Rana Plaza mit über 1.000 Toten und Bildern demonstrierender Arbeiter*innen oder schuftender Menschen in engen Fabriken aufgewachsen. Viele haben sich vielleicht schon in der Schule mit dem Thema befasst. Der Kauf fairer Produkte ist ein Trend, der deutlich zunimmt. Die Menschen wollen sich solidarisch zeigen und nicht nur an sich denken. Wir als Wirtschaftshochschule bilden die Manager*innen von Morgen aus. Sie sollen sich für ein faireres Wirtschaften stark machen.
Woran zeigt sich das?
Wir hatten in Rekordzeit viele der für Fairtrade Deutschland wichtigen Bedingungen erfüllt. Die Mitarbeiter*innen und Mitstreiter haben sich reingehängt und begeistert losgelegt. Jetzt werden wir den Fokus zunehmend darauf legen, auch die Studierenden abzuholen, z. B. in dem wir Curricula entsprechend verändern.
Was ist dadurch außerdem in Gang gekommen?
Wir fördern über das Fair Trade Thema den Dialog untereinander, aber auch mit den Studierenden. Idealerweise wächst da eine neue Solidarität. Fairness hat ja auch etwas mit Anerkennung zu tun, Respekt zu haben vor der Arbeit, die andere Menschen geleistet haben. Das sollte natürlich im eigenen Haus genauso gelten wie für Menschen, die für uns Produkte herstellen.
Wir wollen nicht einfach wegsehen und weitermachen wie bisher, sondern beteiligen uns an einem weltweiten Netzwerk für gerechtere Bedingungen. Wir wollen mithelfen, Bäuer*innen und Arbeiter*innen stabilere, faire Löhne und menschenwürdige Arbeitsbedingungen zu sichern. Wir wollen uns gegen Kinderarbeit aussprechen und sind dafür bereit, auch etwas höhere Preise zu bezahlen. Genau deshalb sind wir Fairtrade University geworden.
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