Die Modebranche hat den Nutzen von Online-Handel und Virtual Fashion inzwischen erkannt. Pascal Bruno, ISM-Professor für Global Brand & Fashion Management, erläutert die drei wichtigsten digitalen Trends und ihren Impact auf die Fashionbranche.
„Show me what you wear and I tell you, who you are.“
Mode spiegelt Ideen wider, die in der Luft liegen, davon war bereits Coco Chanel überzeugt. Was wir tragen, ist Indikator dafür, wie wir leben und was in der Welt gerade so passiert. So hat die Corona Krise nicht nur Jogginghose und Hoodie zu ungeahnter Popularität verholfen, sondern die Digitalisierung in der Fashionindustrie weiter beschleunigt.
Trend 1 – E-Commerce is king
Auch 2022 meiden die Konsument*innen nach wie vor die Innenstädte. Stattdessen haben die Kund*innen ihre Käufe teilweise ins Internet verlagert. „Umfragen haben gezeigt, dass bis zu einem Drittel der Befragten online statt im Geschäft einkaufen.“ Diese Verschiebung zum Online-Handel wird sicherlich auch nach der Zeit von Corona bestehen bleiben. Denn während der Pandemie haben selbst digital weniger affine Kund*innen den E-Commerce für sich entdeckt und werden dieses Angebot auch weiterhin nutzen wollen. Tatsächlich ergänzen sich der stationäre Handel und die Onlinekanäle gut. Der stationäre Handel vermag ein Erlebnis zu bieten, während man sich online bereits vorab Informationen zu Preis, Materialien und sozialem Engagement der Marke beschaffen kann. Auch bezahlen kann man online schnell und unkompliziert. „Diese Verzahnung von digitalem und stationärem Handel zeigte sich schon in der Vergangenheit durch Angebote wie Click & Collect und wird es auch nach Corona geben,“ meint der ISM-Professor.
Trend 2 – vom Follower zum Konsumenten
Social Commerce ist durch die Corona Krise in der breiten Masse angekommen. „Die Nutzung sozialer Medien zum Entdecken und Shoppen von Mode gewann im Verlauf der Covid-19-Pandemie an Bedeutung, da die Kunden mehr Zeit damit verbrachten, zu Hause durch ihre Feeds zu scrollen.“ Das Potenzial von Social Commerce ist dabei gerade bei jungen Konsumenten und Konsumentinnen noch nicht ausgeschöpft. In China ist der Einkauf über WeChat bereits Alltag. „Beim Shopping in den Sozialen Medien kommen vermehrt auch innovative Technologien wie integrierte Lookbooks und Augmented Reality zum Einsatz.“ Im Bereich Augmented Reality hat Snapchat klar die Nase vorn. Auf Snapchat kann man sich im Selfie-Modus nicht nur mit ein paar spaßigen Hundeohren verschönern, sondern sich nach Einscannen eines Outfits auch die passenden Accessoires zum Shoppen vorschlagen lassen. Ein weiteres neues Steckenpferd von Social Commerce ist „Livestream-Selling“. Auch dieser zukunftsträchtige Trend kommt aus China. So wurde ein Livestream in China von Tommy Hilfiger von unglaublichen 14 Millionen Zuschauern verfolgt, wobei in nur zwei Minuten 1.300 Hoodies verkauft wurden! „TikTok ist hier ein Kanal, der ganz weit vorne mit dabei ist.“
In Zukunft könnten Userinnen und User die Virtual Fashion in einem Online-Spiel tragen und dann damit in ein virtuelles Meeting gehen.
Prof. Dr. Bruno
Trend 3 – ein „Metaversum“ an Möglichkeiten
Das „Metaverse“ besteht aus virtuellen Welten und Räumen, wofür Meta/Facebook nur eines von vielen Beispielen ist. In virtuellen Welten kann man Gemeinschaften errichten und Produkte weltweit ohne klassische Läden vermarkten. Dabei gilt besonders Online-Gaming als das weiße Kaninchen, welches die Gruppe der Gamer als erste in die Matrix der virtuellen Welten entführte. Inzwischen haben selbst Traditionshäuser wie Gucci und Balenciaga die Gaming-Welten für sich entdeckt. Als prominentes Beispiel hierfür nennt Prof. Dr. Pascal Bruno Gucci Gardens in Roblox. „Der Kunde hat hier die Möglichkeit einen Avatar mit Gucci-Pieces einzukleiden, durch verschiedene Gucci-Welten zu wandeln und mit der Community interagieren zu lassen.“ Auch Balenciaga bietet im virtuellen Raum Fortnite bereits Skins für den Avatar zum Verkauf an. Neben den bereits etablierten Modemarken gibt es auch ganz neue online Fashion-Player, die ihr Angebot allein auf die digitalen Marktplätze ausrichten. Als noch relativ junges Phänomen gilt beispielsweise der Onlinemarktplatz Dematerialized, welcher digitale Fashion Assets (NFTs) anbietet. Kreative nutzen diesen Marktplatz nicht nur, um sich auszutoben, sondern auch um Geld zu verdienen. So hat der gerade mal 18-jährige Künstler Fewocious mit seinem Drop limitierter digitaler Sneakers sagenhafte 3,1 Mio Dollar umgesetzt.
Prof. Dr. Pascal Bruno zu Gast am Digitalisierungs-Panel an der Frankfurt Fashion Lounge mit Veranstalterin Sevinc Yerli und zwei ISM-Studentinnen.
Virtual Fashion = Future Fashion?
Auch nach der Corona Krise werden virtuelle Welten für die Fashion Branche weiter an Relevanz gewinnen. „Metaverse bzw. einzelne virtuelle Welten waren ein Thema vor Corona und werden auch nach der Pandemie fundamental die Fashionbranche prägen.“ Gerade für Künstler*innen ist das Metaverse eine kreative Spielwiese mit unendlich vielen Möglichkeiten. „Die Designer sind in den virtuellen Welten nicht an Eigenschaften von Materialien oder die Funktionalität von Kleidung gebunden. Das einzige, was hier zählt, ist Kreativität. Ein Kleid aus Feuer oder aus Wasser – hier ist alles möglich.“
Mit verbesserten Technologien von Virtual und Augmented Reality sowie der Etablierung eines übergreifenden Metaverse wird es mehr Nutzungszwecke für Virtual Fashion geben, davon ist der ISM-Professor überzeugt. „In Zukunft könnten Userinnen und User die Virtual Fashion in einem Online-Spiel tragen und dann damit in ein virtuelles Meeting gehen.“ Dabei haben Fashion Unternehmen eben erst damit begonnen, die Möglichkeiten des fantastischen Metaversums auszuschöpfen. Nach Einschätzung des Marketingexperten Bruno ergeben sich hier spannende Chancen über alle Aspekte des Marketingmix hinweg. Ob virtuelle Mode, welche die Grenzen des Möglichen sprengt oder virtuelle Shoppingerlebnisse, die Spiel und Shopping mit neusten Techniken miteinander verbinden. Die Reise ins virtuelle Universum hat für die Fashionbranche eben erst begonnen, wir sind gespannt wohin sie uns noch führen wird.
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