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Klimagerecht bauen: zwischen Wunsch und Wirklichkeit – Teil 2

Wenn Bauen klimagerechter werden soll, müssen wir lernen, weniger abzureißen, mehr zu sanieren und zu recyclen – sagt Prof. Dr. Natascha Schlömer. Denn: Der Wärmemarkt sei mit einem Anteil von über 40 Prozent weltweit der größte Energieverbraucher. Nahezu die Hälfte aller deutschen Wohnungen werde noch mit Gas beheizt und ein Viertel mit Öl. Die ISM-Dozentin am Campus Hamburg im Studiengang Real Estate Management schildert, was bei diesem Thema auf dem Spiel steht:

Sind die neuen politischen Vorgaben zum klimagerechten Bauen umsetzbar?

Natascha Schlömer: Die geplanten Eingriffe der Bundesregierung sind massiv. Den Zeitplan der Umsetzung hält z. B. der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA) für eindeutig überzogen. Angesichts der aktuellen Förder- und Finanzierungsbedingungen scheinen die Vorgaben kaum bis gar nicht realisierbar – und vor allem nicht sozial verträglich umsetzbar, da Sanierungsmaßnahmen mit Mietsteigerungen verbunden sind. Die Lage auf dem Mietermarkt ist bereits jetzt angespannt. Zudem herrscht Fachkräftemangel auf dem Handwerkermarkt.

Insgesamt besteht die Gefahr, dass die Vorgabe der notwendigen Maßnahmen zur Demotivation und sogar zu Verweigerungshaltungen bei Gebäudeeigentümern führen.

Teuer sanieren, gedeckelte oder zu teure Mieten – welche Optionen bleiben, damit sich klimagerechtes Bauen auch umsetzen lässt?

Natascha Schlömer: Wir haben folgendes Problem: Die Sanierungsquote liegt konstant bei einem Prozent pro Jahr, das entspricht ca. 200.000 Wohnungen. Eine Million Wohnungen pro Jahr müssten allerdings saniert werden, um die gesetzlichen Vorgaben zu erreichen. Gleichzeitig sollen die sanierten Wohnungen noch bezahlbar bleiben, denn Wohnraum ist knapp und teuer.

Deutschland ist Mieterland. Über die Hälfte der Bevölkerung (2022: ca. 53 Prozent) lebt zur Miete. Und die Kaltmieten werden im gesetzlichen Rahmen weiter ansteigen müssen, um die kostenintensiven Sanierungen realisieren zu können. Dies erzeugt Unverständnis in der Mieterschaft für die Umsetzung des geforderten klimagerechten Bauens. Dass Immobilien­besitzer durch verbesserte Dämmung der Gebäudehülle und den Einbau effizienter Heiztechnik die Energiewende unterstützen müssen, liegt daher auf der Hand. Die Bezahlbarkeit der Energiewende und mit ihr der gesellschaftliche Zusammenhalt in Deutschland stehen allerdings auf dem Spiel.

Natascha Schlömer
Andererseits zeigen Berechnungen, dass jährlich zwischen 175.000 und 400.000 neue Wohnungen zusätzlich errichtet werden müssen: Wie kommt es zu solch enormen Diskrepanzen?

Natascha Schlömer: Prognosen zum Wohnungsbedarf beruhen auf unterschiedlichen Annahmen. Bevölkerungsvorausberechnungen, Annahmen zu Zuwanderungen, die Pro-Kopf-Wohnflächen und die Einkommensentwicklung haben ebenso großen Einfluss auf die benötigte Anzahl an Wohnungen. Die Ursachen sind vielschichtig und komplex und folglich die Ursache für den jeweils unterschiedlich angesetzten Bedarf.

Gekürzte Neubauförderung sowie verschärfte Neubaustandards haben das Bauen stark verteuert.

ISM Professorin Dr. Natascha Schlömer

Die Bundesregierung verfolgt das Ziel, jährlich 400.000 neue Wohnungen in Deutschland zu schaffen. Laut einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) schießt die Bundesregierung damit über das Ziel hinaus. Zwar ist der Bedarf an Wohnungen in den Städten hoch, auf dem Land allerdings überschaubar. Bundesweit müssten nach IW jährlich nur etwa 308.000 neue Wohnungen zur Bedarfsdeckung entstehen. Im Jahr 2021 wurden gemäß Destatis 293.400 neue Wohnungen errichtet, 2022 stieg die Zahl um 0,6 Prozent auf 295.300 Wohnungen leicht an. Nach Berechnungen des ifo-Instituts werden 2024 nur 210.000 Wohnungen in neuen Wohngebäuden fertiggestellt werden, im Jahr 2025 sogar nur noch rund 175.000. Diese Prognosen werden den Wohnungsmangel verschärfen.

Grund für den Rückgang im Wohnungsbau sind die deutlich gestiegenen Finanzierungs- und Baukosten, gleichzeitig wurde die Neubauförderung drastisch zurückgefahren und die Verschärfung der Neubaustandards hat das Bauen abermals verteuert.

Experten sprechen vom „Energy Performance-Gap“ – was versteht man darunter und wie wäre dies zu beheben?

Natascha Schlömer: Der „Energy Perfomance Gap“ ist die Diskrepanz, die zwischen dem prognostizierten Energieverbrauch und den CO2-Emissionen in der Entwurfsphase von Gebäuden und dem Energieverbrauch dieser Gebäude im Betrieb festgestellt wird. Der tatsächliche Verbrauch entspricht in den seltensten Fällen der berechneten Energieeffizienz. Abweichungen erfolgen einerseits durch falsche Einstellungen bei der Inbetriebnahme der ausführenden Firma. Aufgrund des Fachkräftemangels im Handwerkermarkt fehlen ausreichend qualifizierte Mitarbeiter. Andererseits werden Abweichungen durch Geräteeinstellungen des Nutzers verursacht.

Schätzungen des BBSR (Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung) zufolge wird ein Viertel aller Einsparungen durch effizientere, kostensparende Heizungsanlagen auch dadurch zunichte gemacht, dass die Raumtemperatur nach der Installation erhöht wird.

Gerade mit Fokus auf die Lebenszyklusbetrachtung müsste bei der Inbetriebnahme von Anlagen ausreichend Zeit gegeben werden, um Nutzer über Einstellungen und Auswirkungen bei Abweichungen zu informieren. Außerdem müssen die Konsequenzen ausführlich erläutert werden.


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