Diagnose per Chatbot

ISM-Studentin untersucht in Abschlussarbeit Patientenerwartungen an Künstliche Intelligenz in der medizinischen Diagnostik

München, 01.07.2024

Diagnosen stellen ist oft kein einfaches Unterfangen für Ärzte. Neben medizinischen Symptomen müssen auch immer Faktoren wie die Lebensweise und individuelle körperliche Grundvoraussetzungen der Patienten mit einbezogen werden. In Zeiten der stetig an Bedeutung zunehmenden Technologien, liegt die Frage nahe: Kann künstliche Intelligenz (KI) in der Medizin sowie der Arzt-Patienten-Kommunikation und speziell bei Diagnosen helfen oder sie gar eigenständig stellen? Und welche Erwartungen haben Patienten an KI? Luisa de Alzaga Achter, Studentin des Studiengangs International Management an der International School of Management (ISM) in München hat dieses Thema in ihrer Abschlussarbeit näher untersucht. Dazu ist jetzt eine erweiterte Publikation erschienen.


Welche Erwartungen haben Patienten im deutschen Gesundheitswesen an KI-basierte Chatbots? Zumindest keine geringen – so zeigen die Ergebnisse der Untersuchung von Luisa de Alzaga Achter unter Leitung von Prof. Dr. Klaus Mühlbäck sowie Daniel Khafif, beide Dozenten am ISM Campus in München. Sie befragte acht Experten unterschiedlicher Alters- und Berufsgruppen mittels leitfadengestützter Interviews zu ihren Erwartungen, Motivationen und Hemmnissen bei der Chatbotnutzung. Die Befragten kamen aus verschiedenen Bereichen: Entwickler von Chatbots, Vertreter des Gesundheitswesens sowie Patienten, also Nutzer dieser Chatbots.

Ist die KI einfach zu bedienen?

Zunächst erhoffen sie sich Orientierung und Unterstützung durch die Chatbots. Sie wünschen sich, mit Hilfe der Technologie sicher durch das komplexe Gesundheitswesen geführt zu werden, um das eigene Handeln zu bestätigen.

Eine große Rolle spielt dabei die Gebrauchstauglichkeit des Bots. Funktionalität, Qualität der Antworten, maschinelle Intelligenz und Benutzerfreundlichkeit stellen dabei zentrale Anforderungen dar. „Patienten wollen verständlicherweise ihre Krankengeschichte nicht immer wieder neu erzählen“, erläutert Luisa de Alzaga Achter. „Sie haben also die Erwartung, dass die künstliche Intelligenz mitlernt und sich die bereits eingegebenen Daten merkt.“

Sind meine Daten sicher?

Dabei kommt schnell die Frage nach dem Thema Datenschutz auf. Insbesondere bei sensiblen Informationen, wie der eigenen Krankheitsgeschichte, legen die Befragten großen Wert auf einen verantwortungsvollen Umgang mit ihren Daten durch die KI. Eine Option wäre, dass der Chatbot mit einem Zertifikat ausgezeichnet wird, das garantiert, dass Daten sicher verwahrt werden und einfach nachzuverfolgen sind. Auch kann Datenschutz in der Wahrnehmung der Patienten am besten erreicht werden, wenn es sich um ein deutsches Unternehmen handelt, das den Chatbot betreibt, sodass die Daten auch nach deutschem Recht verwaltet werden.

Kann eine KI menschlich sein? 

Ein weiterer Kritikpunkt der Befragten sind die Eigenschaften, bei denen Menschen künstlicher Intelligenz nach wie vor weit voraus sind: Sprache und Empathie. So verfügen Chatbots bislang nicht über vollständige Sprachfähigkeiten auf menschlichem Niveau, was zu Missverständnissen und Unzufriedenheit bei den Nutzern führt. Auch beim nötigen Einfühlungsvermögen im Dialog mit den Patienten kann die künstliche Intelligenz nicht an den Arzt heranreichen. Ebenso bestehen bei Ärzten Vorbehalte gegenüber KI-basierten Chatbots. Sie machen sich gern einen persönlichen Gesamteindruck, um eine fundierte Diagnose zu erstellen.

Wie wird KI in der Medizin künftig eingesetzt?

Nach aktuellem technischen Stand hat KI nur begrenzte Einsatzmöglichkeiten in der medizinischen Diagnostik und ersetzt den Besuch beim Arzt nicht. Dozent Daniel Khafif resümiert: „Es bleibt festzuhalten, dass diagnostische KI-Systeme immer nur als Assistenztools verstanden werden dürfen. Die letztinstanzliche Entscheidungshoheit zur Verordnung und Vergabe medizinischer Mittel muss beim Menschen, also bei Ärzten oder Pflegekräften, verbleiben.“ 

KI könnte das medizinische Fachpersonal allerdings sinnvoll ergänzen, wie Luisa de Alzaga Achter herausgearbeitet hat. Vor allem organisatorische Aufgaben rund um Terminfindung und -buchung sowie in der Prävention und Nachsorge können Chatbots wertvolle Dienste leisten. Sie können außerdem größere Menschen an Daten und Diagnosen sammeln als ein einzelner Arzt und so auch umfangreichere Analysen und Erfahrungsberichte über Krankheiten erstellen. Das ist wiederum im Sinne der Krankenkassen, da auf diese Art kostenoptimierte und effizientere Therapiemöglichkeiten angeboten werden können. Diese Technologien entlasten das medizinische Personal signifikant, indem zeitraubende Kommunikationsaufgaben von der KI übernommen werden“, betont Khafif. In Zeiten von Personalmangel und Kostendruck können die eingesparten Ressourcen effizienter in Klinik und Praxis investiert werden, was sowohl dem medizinischen Personal als auch den Patienten zugutekommt.“

„Dennoch gilt es noch einige Hemmnisse zu überwinden“, ergänzt Luisa de Alzaga Achter. „Eine hohe Anwendungsfreundlichkeit, verlässliche Funktionalität sowie Sicherheit der Datenspeicherung und -verarbeitung verbunden mit patientengerechter Sprache und Elementen menschlicher Empathie könnten das Vertrauen der Patienten in KI-basierte Chatbots stärken.“

Die erweiterte Publikation steht hier zum Download bereit.

Hintergrund:
Die International School of Management (ISM) ist eine staatlich anerkannte, private Hochschule in gemeinnütziger Trägerschaft und zählt zu den führenden privaten Hochschulen in Deutschland. An Standorten in Dortmund, Frankfurt/Main, München, Hamburg, Köln, Stuttgart und Berlin wird in kompakten und anwendungsbezogenen Studiengängen der Führungsnachwuchs für international orientierte Wirtschaftsunternehmen ausgebildet. Zum Studienangebot gehören Vollzeit-Programme, berufsbegleitende und duale Studiengänge sowie das komplett digitale
Fernstudium. In Hochschulrankings ist die ISM mit hoher Lehrqualität, Internationalität und Praxisbezug regelmäßig auf den vordersten Plätzen gelistet. Das internationale Netzwerk umfasst rund 190 Partnerhochschulen.

Bild: Daniel Khafif und Luisa de Alzaga Achter vor dem ISM Campus in München.
Credits: Sandra Christina Sewald (München)